Gesundheitssystem – Bürgerversicherung – Debatte auch mit Klischees

Deutschland diskutiert über eine Bürgerversicherung! Dass die private Krankenversicherung noch immer viele Vorteile bietet, wird dabei gern übersehen. Denn in der Debatte sind auch viele Klischees im Spiel.

Soll die private Krankenvollversicherung für Neukunden abgeschafft werden? Diese Debatte steht im Raum, seitdem über eine Neuauflage der Großen Koalition debattiert wird. Denn besonders bei den Sozialdemokraten gibt es Stimmen, die sich für eine einheitliche Versicherung für alle Bürger aussprechen. Als wichtigstes Argument wird genannt, dass Ärzte für alle Patienten das gleiche Honorar bekommen sollen, damit gesetzlich Versicherte nicht mehr so lange auf einen Termin warten müssen. Schließlich zahlen die Privatversicherer in der Regel höhere Honorare.

Dass dabei leider auch viele Klischees in der Debatte vertreten sind, darauf hat nun Uwe Laue aufmerksam gemacht, Chef des PKV-Verbandes. Also jenen Verbandes, in dem die Privatversicherer organisiert sind. Vorurteil Nummer Eins betrifft den Vorwurf, dass gesetzlich Versicherte besonders lang auf einen Arzttermin warten müssten, während Privatversicherte diesen schnell bekommen.

Fest steht aber nach Branchenzahlen: Im Notfall bekommt jeder Patient sofort einen Termin. “Da wird jeder sofort versorgt, egal, wie er versichert ist. Und alle Versicherten – gesetzlich wie privat – haben grundsätzlich Zugang zu den gleichen hochklassigen Versorgungseinrichtungen”, sagte Laue dem “Handelsblatt”. Und 76 Prozent aller Bundesbürger bekommen einen Arzttermin noch am selben Tag oder am darauffolgenden Tag. Das ist in vielen Staaten, die eine Einheitskasse haben, anders: in Großbritannien müssen beispielsweise manche Patienten sechs Monate warten, bis sie in der Arztpraxis vorstellig werden dürfen!

Klischee Numero Zwei: Die private Krankenversicherung sei nur etwas für Gut- und Besserverdiener. Tatsächlich erzielen nur elf Prozent aller PKV-Versicherten Einkünfte über der gesetzlichen Pflichtversicherungsgrenze von derzeit 4.800 Euro im Monat, erklärt Laue anhand von Branchenzahlen. 20 Prozent seien sogar Kinder, die in der GKV gar keine Prämien zahlen müssten, aber zusätzliche Kosten mitbrächten. Und gerade viele Selbstständige versichern sich privat, weil der Schutz hier mitunter billiger ist, als wenn sie bei einer Krankenkasse noch den Arbeitgeberanteil mit zahlen müssten.

Es ist gerade der Systemwettbewerb zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung, der in Deutschland ein hohes Versorgungsniveau sichert und andere Länder neidisch auf unser Gesundheitssystem schauen lässt, argumentiert Laue in dem Interview weiter. Fest steht, dass beide Versorgungssysteme Vor- wie Nachteile haben. Deshalb sollte auch der Schritt zu einer privaten Krankenversicherung gut überlegt sein und nicht ohne vorherige Beratung erfolgen. Wer einmal privat versichert ist, muss jedenfalls keine Angst haben, dass er den Status verlieren würde, wenn eine Bürgerversicherung kommt: Auch die SPD-Pläne sehen vor, dass die privat Krankenversicherten ihren Status behalten. Dieser dürfte ihnen auch juristisch nicht zu nehmen sein.