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Bei der aktuellen Corona-Politik macht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aktuell wirklich keine gute Figur. Ein wichtiges Projekt will er aber noch in dieser Legislaturperiode umsetzen: eine Reform der Pflegeversicherung, die Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entlasten soll. Sollte diese umgesetzt werden, ist das kein Grund, auf private Pflegevorsorge zu verzichten. Das Armutsrisiko wird hoch bleiben.

Ganz Deutschland diskutiert über die gescheiterte Corona-Strategie der Bundesregierung: Da geraten andere Themen, die in den Ministerien vorangetrieben werden, schnell aus dem Blick. Auch dann, wenn sie wichtig sind: wie eine Reform der Pflegeversicherung, die derzeit im Kabinett von Jens Spahn ausgetüftelt wird. Spruch- und gesetzreif ist sie zwar noch nicht, das Papier muss noch mit den Ressorts abgestimmt und in die Gesetzgebung eingebracht werden. Sie zeigt aber, wo die Reise künftig hingehen soll – und wo die Risiken liegen.

Eigenanteil zu stationärer Pflege soll gedeckelt werden – ein bisschen

Laut einem Bericht des “Handelsblatts” kursiert aktuell ein Arbeitsentwurf für ein Gesetz, das noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll. Ziel ist es, Menschen in Alten- und Pflegeheimen finanziell zu entlasten. So soll der Eigenanteil zur Pflege, die Menschen in vollstationärer Betreuung zahlen müssen, gedeckelt werden.

Hier sind die Kosten in den letzten Jahren regelrecht explodiert: 831 Euro für den sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) müssen Patienten und ihre Angehörigen für die Unterbringung im Heim derzeit durchschnittlich zahlen. Zum Jahresanfang 2018 waren es noch 593 Euro. “Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil” heißt er, weil seit den Pflegestärkungsgesetzen alle Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegeheims die gleichen Aufwendungen zahlen, unabhängig von ihrem Pflegegrad. Und die Heime diesen regional unterschiedlich festlegen können: je nach Pflegekosten und -bedürfnissen.

Diese stationären Pflegekosten will Jens Spahn deckeln. Doch anders, als ursprünglich angedacht, ist nun kein starrer Deckel von maximal 700 Euro pro Monat geplant. Stattdessen ist die Entlastung zeitlich gestaffelt. Im ersten Jahr des Pflegeheim-Aufenthalts sollen die Bedürftigen bzw. zahlpflichtige Angehörige die vollen Pflegekosten tragen. Im zweiten Jahr sollen die Eigenanteile dann um 25 Prozent sinken, nach mehr als 24 Monaten um die Hälfte. Bei Pflegebedürftigen, die 36 Monate und länger stationär betreut werden, soll sich der Eigenanteil gar um 75 Prozent reduzieren.

Viele Menschen werden folglich nicht oder wenig davon profitieren, denn laut einer wenig erbaulichen Statistik der DAK sterben viele Pflegeheim-Bewohner bereits im ersten Jahr ihres Aufenthaltes. Dennoch soll allein diese Maßnahme 2,5 Milliarden Euro kosten. Immerhin ein Schritt, um die Betroffenen finanziell zu entlasten.

Pflegekosten sind nicht der einzige Kostenfaktor

Aber es muss an dieser Stelle daran erinnert werden, dass die “reinen” Pflegekosten nicht die einzigen Aufwendungen sind, die für einen Heimplatz fällig werden. Hinzu gesellen sich Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie notwendige Investitionen des Heims: etwa wenn renoviert oder neues medizinisches Gerät eingekauft werden muss. Und so mussten vollstationär untergebrachte Heimbewohner zum Jahresanfang 2021 bereits 2.068 Euro monatlich aus dem eigenen Portemonnaie zahlen, wie aus Daten der Ersatzkassen hervorgeht. Das sind die Kosten, die übrig bleiben, nachdem die Krankenkassen oder privaten Krankenversicherer bereits ihre Aufwendungen für den jeweiligen Pflegegrad gezahlt haben!

Das zeigt: Auch künftig wird es für viele Menschen wichtig bleiben, mit einer privaten Pflegezusatzversicherung vorzusorgen. Denn Kosten und Armutsrisiko bleiben auch nach diesem Reformschritt hoch – sollte er überhaupt umgesetzt werden.

Denn Jens Spahn plant noch weitere Reformen. Es soll auch mehr Geld für die ambulante Pflege geben, wenn also Menschen zuhause von Angehörigen betreut werden. Nicht ohne Grund: Fast acht von zehn Pflegebedürftigen werden von Verwandten umsorgt und nicht im Heim. Auch will Jens Spahn die Bundesländer verpflichten, sich stärker an Investitionskosten zu beteiligen. Ob das Gesetz tatsächlich so umgesetzt wird, hängt auch von den Finanzen ab: Bund, Ländern und Pflegekassen sollen durch die Reform Mehrkosten von geschätzt 6,4 Milliarden Euro entstehen. Viele Interessengruppen werden das nicht gerne hören: und wahrscheinlich Änderungen einfordern.

Der Bundestag hat am Donnerstag ein Gesetz verabschiedet, mit dem Kassenpatienten schneller einen Arzttermin erhalten sollen. Das sogenannte Terminservice- und Versorgungsgesetz sieht eine höhere Vergütung für Ärzte vor, wenn sie Kassenpatienten erstmals behandeln. Auch der Terminservice wird ausgeweitet.

Es ist ein echtes Aufregerthema: Da braucht man dringend MRT oder hat Beschwerden beim Sehen, aber weder ein Termin beim Radiologen noch beim Augenarzt ist leicht zu bekommen. Zumindest dann nicht, wenn man gesetzlich versichert ist. Jeder vierte Patient muss länger als drei Wochen auf einen Facharzt-Termin warten, so hat eine Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KVB) ergeben. In manchen Gegenden, wo wenig Ärzte sind, dauert es gar Monate. Privatpatienten bekommen in der Regel deutlich schneller einen Termin, weil hier die Ärzte höhere Honorare abrechnen dürfen.

Das will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ändern. Und so hat er ein Gesetz auf dem Weg gebracht, das am Donnerstag verabschiedet wurde. Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), so lautet das neue Paragraphenwerk.

Höhere Arztvergütung für Kassenpatienten

Wie aber will das Bundesgesundheitsministerium eine bessere Versorgung für Kassenpatienten erreichen? Zum einen sollen Ärzte mehr Geld erhalten, wenn sie einen gesetzlich Versicherten erstmals behandeln:

Bisher habe es sich für Ärzte nicht finanziell ausgezahlt, wenn sie einen zusätzlichen Kassenpatienten nehmen, gab Spahn in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zu bedenken. Das soll sich ändern. “Für jeden Patienten, den sie zusätzlich behandeln oder neu annehmen, werden Ärzte künftig auch besser bezahlt. Wir schaffen den Einstieg in den Ausstieg aus den festgelegten Budgets – auch bei Versicherten, die in offenen Sprechstunden behandelt werden”, sagte Spahn. Bis zu 50 Prozent Bonus seien möglich.

Im Gegenzug werden Ärzte aber auch verpflichtet, mehr Sprechstunden anzubieten. Künftig sollen Kassenpatienten 25 Stunden statt wie bisher 20 Stunden pro Woche betreut werden. Zusätzlich sollen die Servicestellen künftig besser erreichbar sein: Jene Stellen also, die an Patienten Termine innerhalb von höchstens vier Wochen vergeben. Die Hotline unter 116117 soll künftig sieben Tage die Woche und rund um die Uhr Anrufe entgegennehmen.

Ob die Maßnahmen tatsächlich die Terminvergabe beschleunigen und die Versorgung verbessern, ist aber umstritten. Die Opposition im Bundestag warnte, dass neue Fehlanreize entstehen können: dadurch, dass Ärzte finanziell belohnt werden Erstpatienten aufzunehmen. Das könnte auf Kosten der Akutpatienten und chronisch Erkrankten gehen, die ja regelmäßig betreut werden müssen.

Mit Blick auf die Servicestellen ist darüber hinaus zu beachten, dass man kein Anrecht hat, an seinen Wunscharzt vermittelt zu werden. Der Arzt muss seine Praxis in “zumutbarer Entfernung” haben — ein dehnbarer Begriff. Und auch nach der Reform wird die Arztvergütung für gesetzlich Versicherte deutlich niedriger sein als für Privatpatienten: Auch deshalb kann es lohnen, über einen Wechsel zu einem privaten Krankenversicherer nachzudenken.

Auch Verbesserungen in Pflege und Digitalisierung geplant

Eine schnellere Terminvergabe ist nicht die einzige Reform im Rahmen des Gesetzes. So soll es unter anderem finanzielle Anreize für Ärzte geben, sich auf dem Land niederzulassen: in vielen Regionen herrscht bekanntlich Ärztemangel. Und auch die Pflege soll weiter verbessert werden: ab 1. Mai 2019 sollen reine Betreuungsdienste zugelassen werden und entsprechend von den Pflegekassen vergütet werden dürfen. Das sind zum Beispiel Dienste, die Pflegebedürftigen beim Einkaufen und Putzen helfen oder mit dem Pflegebedürftigen spazieren gehen.

Darüber hinaus soll die digitale Patientenakte kommen, wenn auch erst bis 2021. Versicherte sollen dann auch vom Smartphone oder Tablet aus auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen können. Ebenfalls positiv: Die festen Zuschüsse der Krankenkassen zum Zahnersatz werden ab Oktober 2020 von derzeit 50 auf 60 Prozent raufgesetzt. Dennoch bleibt Zahnersatz ein enormes Kostenrisiko, das tausende Euro verschlingen kann. Deshalb sollte man rechtzeitig mit einer Zahnzusatzversicherung vorsorgen.